Kriegerprinzessin: Mononoke

Vor langer Zeit als Japan nicht mehr als eine Ansammlung von kriegerischen Stämmen war, kämpfte eine Mädchen namens San ihren eigenen Kampf. An Seite der Tiergötter schützte sie ihre Wolfsfamilie und den magischen Wald vor den destruktiven Kräfte der Menschen, der Militarisierung und Industrialisierung, und – wie sich herausstellen wird – hat sie noch einen anderen Feind: das Patriarchat.

Dämonenprinzessin

San mit Maske (aus Prinzessin Mononoke 1997)

San mit Maske (aus Princess Mononoke, Ghibli 1997)

Bereits der Titel verspricht uns eine Prinzessin besonderer Art: もののけ姫 (Mononoke-Hime). Das japanische Suffix „hime“ bedeutet Prinzessin und Mononoke sind Geistwesen, „who had left their bodies with strong feelings of resentment or hatred. Usually these were spirits of the dead, but in some cases they were ikisudama, spirits who had temporarily left the body of a living person. They could enter the bodies of the people who were the objects of their resentment–or others related to them– to cause great physical and mental suffering.“ (Hiroo 2016, S. 96) In Hayo Miyazakis Geschichte werden Tiergötter gemäß der Ambivalenz der Natur sowohl als wohlwollend als auch schadend dargestellt, und erst durch die Gewalt der Menschen werden sie zu diesen Dämonen des Hasses. So wundert es mich auch nicht mehr, dass San nur ein einziges Mal und gehässig „Prinzessin Mononoke“ genannt wird – und dann auch noch von ihrer Gegenspielerin Lady Eboshi. Doch zurecht, denn San wird von Hass getrieben und wirkt vor allem anfangs wie ein übersinnliches Wesen – sie kommuniziert mit Tieren, hat superschnelle Reflexe und kennt die spirituellen Geheimnisse der Waldgötter. Unsere erste Dämonenprinzessin!

Doch zurück zur Herkunftsfrage: die Wolfsgöttin Moro nahm San als ihre Adoptivtochter auf und erkannte somit das Menschenmädchen als göttliche Nachfolgerin an. Patrick Drazen spricht San jedoch ihren Status ab, da sie „rules over nothing“ (vgl. S. 137). Meiner Meinung nach herrscht Moro (und nach ihr San und ihre Brüder) nicht nur über ihr Rudel, sondern in einer spirituellen Hierarchie über den heiligen Wald. Ganz ihrer Rolle entsprechend verteidigt auch ihre Tochter das Reich vor dem drohenden Untergang und beweist somit ihre kriegerische Seite – eine wahre Kriegerprinzessin!

Da San als Mittlerin zwischen spirituellen Naturgöttern und den Menschen fungiert, lag für mich die Theorie nahe, dass es eine mythologische Vorlage gibt, wie bereits bei Wonder Woman, Sailor Moon oder anderen Vertreterinnen der Artemis / Athene. Als ich dann in der Ghibli Wikia die phonetische Ähnlichkeit von San und der englischen Sonne las, dachte ich sofort an die Bedeutung des Mondes für das Weibliche und speziell für Kriegerprinzessinnen. Anders als in westlichen Religionen repräsentiert in Japan ein männlicher Gott den Mond und die Sonne eine Göttin: Amaterasu-ō-mi-kami spielt sogar eine zentrale Rolle in der japanischen Kultur und Mythologie. Zum Beispiel versinnbildlicht die Nationalflagge die rote Sonnenscheibe – und erinnert uns dies nicht an etwas… Sans Maske auf weißem Fell wird bloß durch die abstrakte Gesichtszeichnung und Wolfsohren von der Flagge verfremdet. Doch trägt San keine Erkennungssymbole (Spiegel, Juwel und Schwert) der Sonnengöttin. In der Logik der Geschichte wäre diese Verbindung auch äußerst unpassend, denn als Ahnherrin des japanischen Kaiserhauses steht die Göttin Lady Eboshi näher als Sans Tiergöttern. Symbolisiert Sans Erscheinung vielleicht nicht die gegenwärtige Kultur und deren Einfluss durch das Kaisertum sondern die Ursprünge Japans und die animalischen Wurzeln? Wir werden dies später noch sehen.

Natur versus Technik

[Sans] demands are simple and straightforward: stop destroying the forest. When they are not met, or indeed even considered, she reacts like an animal, or a man: she defends her home and her people. (McCarthy 2018, S.110)

Mehr als alle bisherigen Kriegerprinzessinnen passt San nicht in die sozialen Strukturen und Normen ihrer Zeit. Während ihre kämpferischen Fähigkeiten neben Lady Eboshi und ihren bewaffneten Frauen kaum auffallen, entfremdet ihre Sozialisierung bei den Wölfen sie von den Mitmenschen. Sie ist weder Wolf noch Mensch, sondern Außenseiterin. Dies erinnert stark an Romulus und Remus, Mogli aus dem Dschungelbuch (die äußere Ähnlichkeit zwischen ihm und San ist verblüffend) oder viele andere literarische Wolfskinder, denen nicht nur eine tiefe Naturverbundenheit sondern auch übermenschliche Fähigkeiten angedichtet wurden.

Mowgli (Neel Sethi) und Raksha

Mogli (Neel Sethi) und seine Wolfsmutter Raksha (aus „The Jungle Book“ Disney, 2016)

It is revealing that Miyazaki has chosen San to be wolf-girl, as wolves had completely disappeared from Japan by 1905. There are legends about how wolves have raised infants, and generally wolves were seen in a more positive light than in Europe, and are directly related to nature. (Niskanen 2018, S. 53)

San kämpft gemeinsam mit den Tieren und Göttern des Waldes gegen Lady Eboshi und ihre ArbeiterInnen, welche die zunehmende Industrialisierung und Aufrüstung dieser Zeit repräsentieren. Ebenfalls gegen diese Veränderungen ist die  „traditionally agricultural samurai economy“ (Cavallaro 2006, S.122), die als Kontrahänt der damaligen Regierung und neuen Wirtschaftsform historisch belegt ist und im Film von Ashitaka und seinem letzten Emishi-Stamm vertreten wird.

Trotz magisch atmosphärischer Waldszenen und ihrer Opferrolle, San und „the forest gods are not stainless heroes. Their long, losing conflict with humans has made them bitter and unforgiving toward their enemies, divided and contentious within their own ranks.“ (Schilling 1997) Letztlich präsentiert Miyazaki im Überlebenskampf zwischen Natur und technischem Fortschritt keine Lösung: „We are not trying to solve global problems with this film. There can be no happy ending to the war between the rampaging forest gods and humanity. But even in the midst of hatred and slaughter, there is still much to live for.“ (Miyazaki 1997, S. 29)

San, Lady Eboshi und Ashitaka personifizieren drei unterschiedliche Beziehungen zwischen Mensch und Natur, die sich im Laufe der Geschichte bei den Heldinnen ändern: Das Wolfsmädchen lernt die Menschen kennen und lieben, und Lady Eboshi erfährt die Konsequenzen eines ökologischen Ungleichgewichts. Ashitaka, der Naturverbundenheit und Menschlichkeit in sich vereint, ist der Katalysator dieses Verständnisses. Am Ende ändert jedoch keiner seine Identität, San bleibt der Tierwelt und Lady Eboshi ihrer Eisenhütte verbunden, während Ashitaka zwischen den beiden Welten wandert.

Ambivalente Beschützerinnen

Anders als man es aus westlicher Sicht erwarten würde, stehen sich Gottheiten und Dämonen nicht als strenge Gegensätze gegenüber, sondern sind stark wandelbar. Denn da in der Vorstellung von den Kami auch die Angst vor den Naturgewalten mitschwingt, können die Gottheiten durchaus negativ besetzt sein, während Dämonen auch positive Eigenschaften zugeschrieben werden. […] Da sich darüber hinaus auch die vorherrschende Heldenvorstellung, der Samurai-Tradition folgend, nicht auf die Taten des Helden beruft, sondern auf seine möglichst altruistische Motivation, ist in japanischen Erzählungen auch ein Feind oft nur ein Held, der auf der anderen Seite kämpft. (Levi 1996, S. 69ff) Mythen und Legenden und auch die sich darauf berufenden Manga und Anime handeln somit selten von der im Westen vorherrschenden Konstellation Gut gegen Böse, sondern vielmehr von der Kollision unterschiedlicher Interessen und Perspektiven. (Nieder 2006, S. 13-4)

San und Lady Eboshi (Princess Mononoke, Ghibli 1997)

San und Lady Eboshi (Princess Mononoke, Ghibli 1997)

So repräsentieren auch die beiden Hauptfiguren San und Lady Eboshi nur kontroverse Positionen, die im stetigen Konflikt um Ressourcen sind. In ihrem Überlebenskampf und Beschützen ihrer Schützlinge ähneln sie sich sogar mehr als sie sich unterscheiden. (vgl. Ferro 2017, Nieder 2006, S. 92-3) Während Ashitaka die Verantwortung über seinen Stamm genommen wird und er sich somit frei zwischen allen Fronten bewegen kann, treibt die beiden Frauen die Sorge um ihre Gemeinschaft in den Kampf.

Julia Nieder sieht in Ashitaka als Vermittler zwischen den unterschiedlichen Interessen und seiner Botschaft der Toleranz die Lösung des Konflikts:

Dabei fügt sich der Außenseiter, so wie er es von seinem im Verborgenen lebenden Volk gelernt hat, in sein Schicksal und versucht, mit Diplomatie, Toleranz und Liebe das Vertrauen der Konfliktparteien zu erhalten. Zumindest bei San zeigen seine Offenheit, Ehrlichkeit und Toleranz schließlich Wirkung: Das Wolfsmädchen lernt, ihre eigene Menschlichkeit, die sie in der Gemeinschaft der Tiergötter immer ein Außenseiter bleiben lässt, zu akzeptieren. (Nieder 2006, S. 94)

Diese Konstellation und deren Interpretation ist aus feministischer Perspektive konservativ und passt leider wieder ins Muster der Kriegerprinzessinnennarration: Die übermenschlichen, ungebändigten Kräfte gepaart mit dem Beschützerinstinkt des Weiblichen sind das „Böse“, das es durch den männlichen Helden zu bändigen und zu besänftigen gilt. Denn wie schon bei Xena oder Wonder Woman stehen Kriegerinnen grundsätzlich im traditionellen Rollenkonflikt, da die „männliche“ Aggression und Zerstörung der „weiblichen“ Protektion und dem Lebenspendenden gegenüber stehen.

Susan J. Napier erklärt die Geschlechterkonstellation und die negative Belegung der Frauen mit der japanischen Tradition der Verstoßung des Anderen (weiblich, übernatürlich, prämodern, etc.):

While San is delineated in essentially asexual terms, her association with blood and with spirit possession links her to premodern archetypes of ferocious feminity–the shamanesses, mountain witches, and other demonic mother figure. Read in this light, San’s felinity is aligned with the uncanny and the „supernatural natural“ embodied by Moro in resistance to modernity.

The theme of repudiation and destruction returns to the notion of the objected Other […]. Certainly one of Miyazaki’s major strategies in Princess Mononoke is to privilege a vision in which the abject revenge themselves. […] This is not an entirely original vision […]. It is rather one that has lingered on the boundaries of twentieth-century Japanese culture and has undermined the dominant discourse of modernity and progress through the presentation of alternative visions that privilege the irrational, the supernatural, and the apocalyptic. Often these visions have been linked with women. […] Cornyetz suggests that the modern tendency to associate women with the nostalgic uncanny is actually a form of abjection, a process in which the „culturally repulsive aspects of the premodern and the undifferentiated maternal body“ are repudiated and jettisoned from the dominant collectivity. Abjecting the Other (female, supernatural, premodern, etc.) allowed the modern male Japanese subject to develop. (Napier 2000, S. 188)

Lady Eboshi und San sollten somit ihren eigentlichen Feind bekämpfen: die Unterdrückung durch das aufkommende Patriarchat. Wie nah sich die beiden Figuren sind zeigen die verschachtelten Mutter-Tochter-Konstellationen. Ganz offensichtlich ist die von Moro und San. Bei genauerer Beobachtung übernimmt Lady Eboshi die nährenden, leitenden und beschützenden Funktionen einer Mutter bei ihrer Gemeinschaft. Doch etwas subtil schwingt ein Mutter-Tochter-Verhältnis zwischen Lady Eboshi und San mit, beziehungsweise wie Alice Vernon es ausarbeitet als unterschiedliche Lebensabschnitte:

Eboshi is a future mirror for San; a living vision of the kind of woman she can become in spite of their diametrically opposed positions in culture and despite the social constrictions that continue to oppress women’s aspirations. Eboshi is a demonstration of what a woman can achieve when she feeds – rather than stifles – her ambition, and where that ambition is at first misguided, Miyazaki concludes the film by showing Eboshi’s determination to re-establich her strong community. (Vernon 2018, S. 127)

In den Begriffen der Serie verkörpern sie die Phasen der weiblichen Unabhängigkeit: San die jungfräuliche Kriegerprinzessin und Lady Eboshi die asketische Kriegerkönigin.

Virgin Warrior Girl

Anfangs verabscheut das Wolfsmädchen die Menschen und leugnet ihre Herkunft. Wie weit San von den Menschen entfernt ist, erkennt man bereits an ihrer eigentlichen Namenlosigkeit: „‚San‘ also means the number three, and the feral child was taken in as the third cub of the wolf-spirit Moro.“ (Drazen 2003, S. 137) Dies entmenschlicht sie nicht nur, sondern nimmt ihr auch eine Genderzugehörigkeit. Sie erkennt ihre eigene Weiblichkeit im Sinne der Sexualität nicht, sie ist bloß Welpe der Wolfsgöttin, die durch ihren Namen Moro eine Identität und ein Geschlecht innehat. San ist jedoch nicht androgyn und geschlechtsneutral, sondern vielmehr ist ihr eine animalische, unreflektierte Weiblichkeit inne.

San und Moro (Princess Mononoke, Ghibli 1997)

San und Moro (Princess Mononoke, Ghibli 1997)

The initial appearance is worth examining […]. Her blood-smeared face, fierce demeanor, and fur clothing obviously connect San with both violence and nature, but there is also a strong hint of the sexual primordial female as well. The blood around San’s mouth, metonymically reinforced by two red slashes of paint on her cheeks suggests menstrual blood and also an aggressive sexuality that is confrontational rather than alluring. (Napier 2000, S. 182-3)

Auch wenn mich Napiers Assoziation von Menstruationsblut befremdet. wird San als weiblicher Archetyp eingeführt, der die Prinzipien des Männlichen und Weiblichen als Sinnbild einer Kriegerprinzessin vereint:  Aggression und Fürsorge.

In Miyazakis ersten Entwürfen spielten noch eine junge Prinzessin und ein männlicher „Mononoke“ die Hauptrolle – angelehnt an dem klassischen Rollenverständnis aus „Die Schöne und das Biest“. (vgl McCarthy 1999, S. 182) Im Film tauscht er die Geschlechter aus, beziehungsweise vereint die beiden Rollen in San, die sich durch Ashitaka vom Biest zur Schönen entwickelt. Sie wird durch Ashitaka mit der menschlichen Genderrolle konfrontiert, die Schönheit und Begehren enthalten.

San und Ashitaka, Prinzessin Mononoke, Ghibli 1997

San und Ashitaka (Princess Mononoke, Ghibli 1997)

Ashitaka reflektiert ihr ihre eigene Weiblichkeit und umwirbt sie:

Furthermore, in a later scene Ashitaka gives San his sister’s necklace – a blue piece of crystal shaped like a sharp arrowhead. San holds it up and exclaims ‚It’s pretty‘. Miyazaki again demonstrates a natural blend between the tropes of ordinary girlhood and animalistic warrior, of the feminine and the feral, coexisting quite comfortably within San’s personality. San belongs to what Anne Allison describes as the ‚warrior girls‘ subgenre in Japan. (Vernon 2018, S. 118-9)

Während warrior girls, wie Sailor Moon, durch ihre menschliche Sozialisierung sich mit dieser Trope leicht identifizieren, überrollen San diese neuen Anforderungen. Diese neue Situation schwächt ihre bisherige Rolle sogar so weit, dass sie von der Krieger- zur Opferprinzessin und Love Interest wird und vom Prinzen gerettet werden muss. Denn wie bei unseren vorigen Kriegerprinzessinnen muss sie sich ihre Unabhängigkeit und „Jungfräulichkeit“ bewahren, um ihre Kräfte zu behalten.

Gleichberechtigte Helden

Wie bereits bei Brünhild oder Khutulun spielt Sans Geschichte in einer Zeit des Umbruchs: die Muromachi Periode (1392–1573), „a time of political and cultural instability, coinciding with the first deliberate attempts by humans to master nature rather than honor and appease it“. (Cavallaro 2006, S. 121) Vor der Muromachi-Zeit prägte die japanische Kultur das Matriarchat, und Frauen wurden spirituelle Fähigkeiten zugestanden. (vgl. Sumiko 1993, S. 5) In einer Epoche der Veränderungen und kriegerischer Destabilisierung vertritt San nicht nur die Naturkräfte, sondern die Reste der matriarchalen Struktur. Aber auch in der Muromachi-Ära hatten Frauen noch gewisse Freiheiten auf Grund der kriegerischen Notwendigkeiten:

Specifically, it is set “around the time of the War of Onin”, which took place from about 1467 to 1477. […] Women also had more freedom. […] Part of this can be traced to the fact that the treatment of women during much of Japanese history was founded in their capabilities. There are many examples of female warriors or leaders, whether mythical or historical; among their number are Tomoe GozenHojo MasakoTachibana Ginchiyo, and Maeda Matsu. While there is an obvious bias for male succession and masculine control in these periods, the basic fact was that women were essentially expected to take care of things while their husbands were away, and that included defending the homestead and managing finances. (Ferro 2017)

So übernahmen auch in Princess Mononoke die Frauen die Führung, während die Fürsten und selbst der Kaiser als Randerscheinungen abhängig oder gar unterlegen sind. Sogar der Held Ashitaka muss unter Instruktion der Shamanin seine Prinzenfunktion zu Beginn aufgeben.  Auch aus heutiger Sicht wirken die Protagonistinnen besonders „modern“ und „most shocking“, wie Napier ausführt:

Most shockingly […], Princess Mononoke uses female characters who exist in their own right, independent of any male interlocutor. Furthermore, these independent females are not domesticated by marriage or a happy ending but are instead interested in living separate but presumably fulfilling lives, San with her companions in the natural world, Eboshi with her industrializing community. (Napier 2000, S. 190)

Die Protagonistinnen erkannten, dass ihre Stärke in der undomestizierten Unabhängigkeit von Männern liegt – Lady Eboshi bereits seit Beginn und San gegen Ende. Dennoch ist die Beziehung zu Ashitaka zentral für Sans Charakterentwicklung:

San, who is full of hatred and resentment towards humans, finds it arduous to endorse Ashitaka’s actions as benevolent and devoid of deceitful intentions. However, his determination to support her at the risk of his own life forges the beginning of a powerful bond, capable of bridging the gap between the two sides at war and inaugurating a more auspicious future. (Cavallo 2006, S. 123)

Wenn einer Kriegerprinzessin ein Mann an die Seite gestellt wird, ergeben sich bisher folgende Konstellationen: bei Fantaghiró war der Prinz ein stets bedrohter Love Interest, bei Brünhild die Bedrohung ihrer Stärke und Existenz, bei Daenerys der Wegbereiter oder Mittel zur Macht und bei Sailor Moon ein Partner auf Augenhöhe. San und Ashitaka versuchen in die Tradition von Usagi und Mamoru zu treten, doch tun sie das unter ganz anderen Rahmenbedingungen. Denn San und Ashitaka vertreten unterschiedliche Motive und Ziele: San verteidigt ihr Reich und Ashitaka vermittelt zwischen ihr und den Menschen. Neben dieser Divergenz müssen sie in der Geschichte auch eine gleichberechtigte Stellung im Genderkonflikt gewinnen. Während sie sich abwechselnd retten und pflegen, Klischees durchspielen, auseinander gehen und zueinander finden, lösen sie sich am Ende vom Retter-Opfer-Drama und retten beide gemeinsam die Welt:

Die Rückgabe von Shishigamis Kopf (aus Princess Mononoke, Ghibli 1997)

Die Rückgabe von Shishigamis Kopf (aus Princess Mononoke, Ghibli 1997)

Besonders schön finde ich die Dreieckskomposition, die das Göttliche der Szene unterstreicht und eine neue Form der Trinität versinnbildlicht: Aufsteigend von den gemeinen Menschen, über die gleichberechtigten, naturverbundenen Helden hin zum Göttlichen der Natur.

Zurück zu dem Dilemma, wie San und Ashitaka nun unabhängig, selbstgenügsam und in der Dualität von Natur und Gesellschaft zusammen leben können. Die finale Szene zeigt, sie können es nicht, wie auch Helen McCarty schlussfolgert:

San would never fit in that comfortable scenario, the happily-ever-after of conventional romance. With no memory of her human family except rejection, she is determined never to rejoin the race that killed her loving and supportive adoptive wolf mother. She tells Ashitaka she loves him but she can’t live among humans. Where an ordinary hero would tell her she must choose between him and her own ideals, Ashitaka suggests to live apart and meet in their own private space between the deep forests and the human world. His wild love will remain wild, and her own person, because he is a truly revolutionary hero – he does not need to transform her from a free spirit to a domestic goddess to secure his own happiness. (McCarthy 2018, S. 103)

McCarthy führt weiter aus, dass Miyazaki mit den alten, romantischen Tropen, bricht. Der Machtkampf zwischen Mann und Frau, sowie die Abhängigkeit nach Bestätigung und Aufmerksamkeit solle aufhören. Beide Seiten sollen ihr eigenes Leben führen und einen privaten „space belonging equally and entirely to them both“ finden. (vgl. McCartyh 2018,S. 111) Das ist wahrlich revolutionär, auch für unsere Kriegerprinzessinnen!

Die Serie geht weiter mit Fantaghiró, Merida, Daenerys, Mulan, Xena, Brünhild, Leia, Granuaile, Sailor MoonKhutulun, Wonder Woman, Éowyn und Athena!

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Quellen:

Princess Mononoke. Hayao Miyazaki (Dir.), Toshio Suzuki (Prod.). Studio Ghibli, 1997.

Dani Cavallaro: The Animé Art of Hayao Miyazaki. McFarland & Company, 2006.

Patrick Drazen: Animé Explosion: The What? Why? & Wow! of Japanese Animation. Berkeley: Stone Bridge Press, 2003.

Sato Hiroo (übersetzt v. David Noble): How like a God. Deification in Japanese Religion. Tokyo: International House of Japan, 2016.

Hayao Miyazaki: Foreword. In: Princess Mononoke. The Art and Making of Japan’s Most Popular Film of All Time. Hrsg. v. M. Schilling, New York: Hyperion, 1997.

Helen McCarthy: Hayao Miyazaki: Master of Japanese Animation. Berkley: Stonebridge Press, 1999, 2002.

Helen McCarthy: Teenage Wildlife: Princess Mononoke and Hayao Miyazaki’s Theory of the Feminine. In: Princess Mononoke: Understanding Studio Ghibli’s Monster Princess. Hrsg. v. Rayna Denison, Bloomsbury 2018.

Susan J. Napier: Anime from Akira to Princess Mononoke. New York: Palgrave, 2000.

Julia Nieder: Die Filme von Hayao Miyazaki. Marburg: Schüren-Verlag, 2006.

Eia Niskanen: Deer Gods, Nativism and History: Mythical and Archeological Layers in Princess Mononoke.In: Princess Mononoke: Understanding Studio Ghibli’s Monster Princess. Hrsg. v. Rayna Denison, Bloomsbury 2018.

Montserrat Rifa-Valls: Postwar Princesses, Young Apprentices, and a Little Fish-Girl: Reading Subjectivities in Hayao Miyazaki’s Tales of Fantasy. In: Visual Arts Research, Vol. 37, Nr. 2 (Winter 2011), S. 88-100.

Mark Schilling: Princess Mononoke. The Art and Making of Japan’s Most Popular Film of All Time. New York: Hyperion, 1997.

Iwao, Sumiko. The Japanese Woman: Traditional Image and Changing Reality. New York: Free, 1993.

Alice Vernon: Beyond Girlhood in Ghibli: Mapping Heroine Development Against the Adult Woman Anti-Hero in Princess Mononoke. In: Princess Mononoke: Understanding Studio Ghibli’s Monster Princess. Hrsg. v. Rayna Denison, Bloomsbury 2018.

J. Ferro: A Glance at the History of Feminism Around the World, 2017. reelrundown.com/animation/Feminism-in-Princess-Mononoke

J. Shea: Analysis: Princess Mononoke, 2012. exploringbelievability.blogspot.com/2012/01/analysis-princess-mononoke.html

„San“ von Ghibli Wikia. de.ghibli.wikia.com/wiki/San

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