Kriegerprinzessin: Athena

Der Vergleich von Leia und Athena kommt nicht von irgendwo, sondern führt uns zur einflussreichsten, mythologischen Figur für den Kriegerprinzessinnen-Topos. Athena ist die olympische Göttin der Weisheit, des Krieges und der Kunst. Ob sie auch unserem Kriegerprinzessinnen Profil entspricht und vielleicht auch eine neue Perspektive darauf aufwirft? Also stecken wir die Grundkriterien ab:

Statuen von Zeus, Athena und Ares

Zeus flankiert von Athena und Ares – Skulpturen der Universität Wien.

Prinzessinnen-Status

Als Tochter des Zeus, Oberhaupt der griechischen und als Jupiter auch der römischen Götterwelt, ist sie eindeutig eine göttliche Prinzessin. Als Mutter wird in manchen Mythen die Titanin Metis, der intuitive Weisheit zugeschrieben wird, genannt:

[F]or, as her father was the most powerful and her mother the wisest among the gods, so Athena was a combination of the two, that is, a goddess in whom power and wisdom were harmoniously blended. (Dictionary of Greek and Roman Biography and Mythology, p. 398)

In Geschichten wie dem Streit mit Hera und Aphrodite um die Auszeichnung „schönste Göttin“, der den Trojanischen Krieg begründet, zeigt sich die Eitelkeit und Schönheit der Prinzessin.

Gustav Klimts "Pallas Athene"

„Pallas Athene“ Gustav Klimt. 1898

Kriegerinnen-Status

Neben zahlreichen anderen Eigenschaften ist sie in erster Linie Göttin der Kriegskunst und zwar nicht das körperliche Kräftemessen repräsentiert durch Ares, sondern einer strategischen, nicht minder gewalttätigen Kriegsführung. Im Podcast Troja Alert wird der Vergleich zum Vernichtungskrieg herangezogen und der Einsatz von Kriegsmaschinerie mit ihr konotiert, wodurch eine Abstraktion und Entwicklung weg vom Testosteron geladenen Mann-gegen-Mann gezeichnet wird.

Athene ist jedoch nicht gewaltverherrlichend, ihr Kämpfen ist vielmehr eine Notwendigkeit und steht im Kontrast mit dem männlichen Kampf nach Ares:

According to Homer (Il. v. 736, &c.), she does not even bear arms, but borrows them from Zeus; she keeps men from slaughter when prudence demands it (Il. i. 199, &c.), and repels Ares’s savage love of war, and conquers him. (v. 840, &c., xxi. 406.) She does not love war for its own sake, but simply on account of the advantages which the state gains in engaging in it; and she therefore supports only such warlike undertakings as are begun with prudence, and are likely to be followed by favourable results. (x. 244, &c.) (Dictionary, p. 399)

Im Gegensatz zu anderen Kriegerprinzessinnen entsteht durch ihr Kämpfen kein Konflikt mit der weiblichen Ethik und dem Rollenbild. Denn als Göttin der Gerechtigkeit wird ihre Moral nicht angezweifelt und durch ihre defensive, strategische Kriegsführung hat sie mit Ares kaum Überschneidungen. So ist sie auch die Schutzgöttin eines bestimmten Heldentypos, der sowohl Stärke wie auch Klugheit vertritt, wie Odysseus oder Herakles – aber auch Leia.

Gendertwist

Ihre Geburtsgeschichte(n) sind außergewöhnlich und bergen noch eine für unser Thema bedeutsame Konsequenz: Zeus verschlang die schwangere Metis und gebar Athena aus seinem Kopf. Die Erzählungen variieren in den Details, ergänzen einen ungeborenen Bruder oder die gewalttätige Geburtshilfe von Hephaistos. Als Grund für das Verschlingen von Metis wird oft eine Prophezeiung vorangestellt, welche einen äußerst klugen Nachkommen als Bedrohung für Zeus‘ Herrschaft vorhersagt. Da von einem Sohn ausgegangen wird, wiegt sich Zeus in Sicherheit. Eines ist den Varianten jedoch gleich, nicht die Mutter sondern der Vater bringt Athena auf die Welt und es ist eine kriegerische Geburt. Man könnte sogar spekulieren, dass sie ihren ungeborenen Bruder absorbiert hat und sie der Zeus Herrschaft bedrohende Nachkomme sei. Unabhängig davon wird das männliche Prinzip mit ihrer Geburt in ihrer Identität gefestigt, die sie in eine Sonderstellung zu anderen weiblichen Göttinnen und an die Seite des Göttervaters als Beraterin und eine der mächtigsten Götter befördert. Sie steht dadurch auch zwischen oder gar außerhalb der Genderrollen:

The character of Athena, as we have here traced it, holds a middle place between the male and female, whence she is called in an Orphic hymn (xxxi. 10) arsên kai thêlus, and hence also she is a virgin divinity (Hom. Hymn.ix. 3), whose heart is inaccessible to the passion of love, and who shuns matrimonial connexion. (Dictionary, p. 399)

Jungfräuliche Mutter

Ihre Jungfräulichkeit drückt sich auch in ihrer Kleidung aus und so wurde sie immer vollständig bedeckt abgebildet:

For this reason, the ancient traditions always describe the goddess as dressed; and when Ovid (Heroid. v. 36) makes her appear naked before Paris, he abandons the genuine old story. Her statue also was always dressed, and when it was carried about at the Attic festivals, it was entirely covered. (Dictionary, p. 399)

Geburt Athenas

Gaia übergibt Erikhthonios an Athena

Ihre Jungfräulichkeit zu bewahren ist nicht immer ein Leichtes, wie die Geschichte mit Hephaistos zeigt. Seine sexuelle Annäherung währt sie im letzten Moment ab. Doch bleibt sie nicht vollkommen erfolglos, denn sein Samen fällt auf die Erde und ein Sohn entsteht, dem Athena auch bereitwillig in ihre Obhut nimmt. Sieht man Gaia als die Personifikation der Erde, wäre dies eine Anekdote der Leihmutterschaft.

Für Athene bedeutet dies ein Umgehen des Kriegerprinzessinnen Unheils, dem Brünhild so drastisch erlag. Denn sie bewahrt ihre Jungfräulichkeit, Unabhängigkeit und Genderneutralität und kommt dennoch in die Freuden der Mutterschaft.

Die Serie geht weiter mit Fantaghiró, Merida, Daenerys, Mulan, Xena, Brünhild, Leia, Wonder Woman, Granuaile, Khutulun, Éowyn, Mononoke und Sailor Moon!

Quellen:

Athena. In: Dictionary of Greek and Roman Biography and Mythology. Hg. von William Smith.1844.
Athene. Aus: Troja Alert. Stefan Thesing und Daniel Franz. trojaalert.bildungsangst.de/podcast/tro007-athene

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