Emotionen – Symbolik der Haare

epochale Kontrast der historischen Männerfrisuren

Haare und die Art, wie sie getragen werden, drücken nicht nur sexuelle Merkmale aus, sondern auch generelle Emotionen und Einstellungen. Eine symbolische Dichotomie ergibt sich aus der Haarlänge, ähnlich der sexuellen Haltungen. So bedeuten in westlichen Kulturkreisen lange Haare neben der Offenheit und Leidenschaft auch Sensibilität. Dies lässt sich mehr noch als an weiblichen Frisuren, die meist langes Haar tradierten auch wenn sie dann wieder gebunden, verborgen oder sittlich gesteckt wurden, an der männlichen Haarmode veranschaulichen. Langhaarfrisuren waren vornehmlich in „sentimentalen“ Epochen sozial akzeptiert, während stark reglementierte oder rationalisierte Gesellschaften kürzere Haare bevorzugten. Nehmen wir zwei historische Abschnitte heraus: das römische Reich und das 18. Jahrhundert. Besonders unter der militanten Herrschaft Caesars (ähnlich wie unter Napoleon) trugen die Römer gewöhnlich „short, combed forward and curled“ [Bryer 2003, S. 26]. Konträr hierzu, behalfen sich Männer des 18. Jahrhunderts, welches in die Kulturgeschichte unter anderem als Epoche der Empfindsamkeit einging, mit gelockten und artifiziell frisierten Perücken zu langen Haaren (Siehe: thehistoryofthehairsworld.com).

Unabhängig vom Geschlecht symbolisieren Haarfarben gewisse Temperamente:

The colour of hair is invested with significance. Red hair grows more thickly an is associated with a fiery temper, but is that merely because it looks like flames?
Blond hair is associated with fun, or is that just because light shining on golden tresses brings a sense of happiness? Dark hair has connotations of mystery and evil. The long black hair of the witch contrasts with the golden tresses of the fairy princess. Silver hair is a symbol of age and wisdom. However, as we shall see, these colour associations can change with the passage of time. [Bryer 2003, S. 9-10]

Neben diesen sozial-historischen Phänomenen arbeitet Robin Bryer eine besondere Verbindung zwischen negativen Emotionen und Haaren heraus: „But we can also bite and pull our own hair in a gesture of frustration and partly of what we would wish to inflict upon our adversor.“ [S. 15]
Weiters ist mir Ähnliches in Gesprächen aufgefallen. So steht das Abschneiden von Haaren oft in Verbindung mit dem Loslassen oder der Bewältigung von Emotionen. Schmerzhafte Erfahrungen, das Ende von Beziehungen oder Lebensabschnitte führen — vor allem bei Frauen — zu Veränderung von Frisuren, meist radikalen Kürzen. Dies wurde zu einem Motiv in Filmen und Geschichten, wie zum Beispiel in der Filmbiographie von Frida Kahlo.

Im antiken Griechenland drückten Menschen ihre Trauer durch Haare aus, „to hang the hair of the dead on their doors previous to interment, and the mourners not infrequently tore, cut off or shaved their own hair which they laid upon the corpse, or threw into the pile to be consumed along with the body of the relative or friend.“ [S. 25] Laut Wikipedia („Langes Haar“), findet sich auch im Mittelalter dieser Emotionsausdruck, da Frauen ihre Haare nur offen trugen in Zeiten der Trauer und Erschütterung — oder als Zeichen sexueller Unschuld.
Doch nicht nur Frauen demonstrieren Lebensabschnitte über ihre Haarlänge, so beschrieb mir ein Mann eine Phase seines Lebens, in welcher er seine sonst welligen, schulterlangen Haare abrasiert hatte, als „eine krasse Zeit: Drogen, Party, keine Verantwortung, keine Bindungen. Man fühlt sich so hart.“ Neben diesen freiwilligen Entledigungen von Gefühlen gibt es auch die starken Gefühlskrisen von Menschen, denen die Haare aus Krankheit, ignoranten Friseuren oder sonstigen Gründen gekürzt wurden. Vor einigen Jahren kam eine junge Kundin tränenaufgelöst zu mir und erzählte mir ihre Geschichte: „Ich war Haarmodel bei einer Frisurenshow. Der Friseur und ich machten aus das nur zehn Zentimeter von der Grundlänge gekürzt werden. Ich saß nun auf der Bühne im Rampenlicht und beobachtete mich selbst während dem Schnitt über die riesigen Bildschirme. Er nahm meine Haare oben zusammen und schnitt sie ab. Ich wollte weinen, aber alle sahen mich an und ich musste lächeln. Du musst verstehen, meine Haare gingen vorher fast bis zu meiner Hüfte.“ Nun reichten sie knapp bis zu den Schultern. Neben dem Schock und Identitätsverlust, beklagte sie vor allem eine Leere in sich. Da verwundert es kaum, dass solche Taten juristisch mit Schmerzensgeld entschädigt werden, auch wenn es sich um eine psychische Misshandlung handelt. Redewendungen, wie „da sträuben sich mir die Haare“ oder „davon kriegt man graue Haare“, zeugen ebenfalls vom symbolischen Ausdruck negativer Emotionen.
Interessant ist, dass mir kaum Verbindungen zu positiven Gefühle einfallen, sondern es sich meist um die Abstinenz oder Negativität von Emotionen dreht. Auch wenn viele Menschen bei der Pflege und Veränderung ihrer Haare Glücksgefühle empfinden und besonders positive Momente und Hochzeiten auch mit speziellen Frisuren einhergehen.

Bryer, R. The History of Hair: Fashion and Fantasy Down the Ages. Philip Wilson Publishers. 2003.
http://thehistoryofthehairsworld.com/
Frida. Julie Taymor (basierend auf Hayden Herrera: Frida Kahlo. Ein leidenschaftliches Leben. Scherz, Bern 1995) 2002.

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