Computerpoesie

Im SternenBlick Blog erschien ein Gastartikel von mir! Hier die Kurzfassung:

In der digitalen Poesie findet eine längst in Vergessenheit geratene oder nur in Avantgarde-Kreisen auffindbare Form eine Renaissance und Weiterentwicklung: Die generative Poesie, Dichtungsgeneratoren oder nun auch Computerpoesie genannt.

Ziel und Vision sind simpel: Den Genius der Lyrikerin auf eine Maschine oder ein „unkreatives“ System zu übertragen – also kurz: ein Computerprogramm das Gedichte verfasst!

Auf den ersten Blick klingt das äußerst futuristisch oder gar unrealistisch, doch dieser Gedanke wurzelt in der Permutation oder kombinatorischen Dichtung, die bis auf die Antike zurück geht. Gedichte entstanden hierbei durch das Verschieben der Wörter eines bestimmten Satzes. Moderne DichterInnen und literarische Gruppen nutzen dieses zwischen Zufall und Struktur changierenden System und erweiterten es zu extremen Formen.

Computertechnologien und die digitale Vernetzung haben dieses Genre auf eine neue Ebene gehoben, denn Programme können unzählige Regeln, Algorithmen und Strukturen umsetzen und aus enormen Datenbanken schöpfen. Die Projekte zur künstlichen Intelligenz, wenn sie auch selten dem künstlerischem Anspruch verpflichtet sind, perfektionieren diese Methoden und Konzepte. Vor allem auch in der Poesie werden diese Möglichkeiten genutzt, um neue Ausdrucksformen zu finden.

Beispiele

ALAMO | Rimbaudelaire
Beispielsweise beschäftigt sich ALAMO mit experimentellen und permutativen Gedichten im digitalen Medium. Der Name des Online Generators verrät bereits das Konzept: Die Struktur des Sonetts „Le dormeur du val“ von Rimbaud wird mit dem Wortschatz von Baudelaire’s „Le fleurs du mal“ ausgefüllt. Dies führt zu lesbaren, wenn auch befremdlichen Sonetten.

Nanette Wylde | haikU
Mehr dem Zufall verpflichtet, ist das Projekt der amerikanischen Künstlerin Nanette Wylde. Dieser Generator greift auf drei Datenbanken zu und kombiniert zufällig Zeilen aus diesen. Das Besondere hierbei ist das interaktive Element, denn die Zeilen werden von den Besuchern der Webseite geschrieben. So entsteht ein kollaboratives Gedicht, das die Unbeteiligtheit und das Unverständnis des Computers als Kompositionssystem nutzt.

Zwischen dem Streben nach Perfektion und der systematischen Verfremdung durch Zufallsmomente werfen diese Projekte grundlegende Fragen zum menschlichen, kreativen Prozess. Was passiert, wenn wir Gedichte schreiben? Wenden wir Regeln der Poetik, ästhetische Konzepte und emotionsstarke Wortschätze an, um das „perfekte“ Gedicht zu schreiben? Oder versuchen wir Gewohnheiten zu durchbrechen und über Zufall, Intuition und Willkür neue Formen zu finden?
Trotz dem Sakrileg das Genie des Menschen auf eine Maschine zu übertragen, sind letztlich die Fragen und auch die Konzepte hinter der Computerpoesie zutiefst menschlich.

Florigenium – Anthologie der Computerpoesie

Florigenium – Anthologie der Computerpoesie

Weitere Projekte zur digitalen, automatisierten Literatur sind in der Online Anthologie „Florigenium“ zu entdecken. Einen historischen und wissenschaftlichen Überblick zur Gattung der Dichtungsgeneratoren bietet Norbert Bachleitner in seinen Vorlesungen.

Zum vollständigen Artikel: sternenblick.org/2015/03/25/computerpoesie-binäre-perfektion/

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